Preboarding von Azubis: Frühzeitige Bindung für einen erfolgreichen Ausbildungsstart
Einleitung: Zwischen Vertragsunterschrift und erstem Arbeitstag liegt die größte Chance – und das größte Risiko
Wenn Unternehmen Ausbildungsverträge unterschreiben lassen, herrscht oft zunächst große Erleichterung. Die Nachwuchssicherung scheint geglückt, das Auswahlverfahren ist geschafft, der Platz besetzt. Doch was dann passiert – oder besser gesagt, was oft nicht passiert – ist entscheidend für den weiteren Verlauf der Ausbildung. Zwischen Vertragsabschluss und dem ersten Arbeitstag verstreichen mitunter Monate. Diese Zeit ist eine sensible Phase: Azubis erleben in ihrem Umfeld Veränderungen, bekommen andere Angebote, zweifeln, vergleichen – und im schlimmsten Fall sagen sie noch vor dem Start ab.
Genau hier setzt das Konzept des Preboardings an. Preboarding beschreibt die Phase zwischen Zusage und dem ersten offiziellen Tag im Unternehmen. Wer sie aktiv gestaltet, kann Unsicherheiten abbauen, Vorfreude steigern und die emotionale Bindung zum Unternehmen von Beginn an stärken. Und das ist notwendig. Denn junge Menschen sind heute bestens vernetzt, wechselbereit und anspruchsvoll – und sie erwarten, dass ihr neuer Arbeitgeber ihnen bereits vor dem Start Aufmerksamkeit schenkt.
Was ist Preboarding – und warum braucht es das gerade in der Ausbildung?
Preboarding ist weit mehr als eine organisatorische Vorbereitung auf den ersten Arbeitstag. Es ist der erste Schritt in eine Beziehung, die im besten Fall mehrere Jahre dauert. In der klassischen Ausbildung wird diese Phase oft vernachlässigt: Der Vertrag wird verschickt, der Ausbildungsstart kommuniziert – und dann folgt: Funkstille. Dabei ist gerade diese Zeit eine ideale Gelegenheit, um jungen Menschen zu zeigen, dass sie mehr sind als eine Aktennummer. Wer als Unternehmen hier mitdenkt, hebt sich positiv vom Wettbewerb ab – denn der nächste Ausbildungsplatz ist für Bewerber:innen oft nur wenige Klicks entfernt.
Für Auszubildende, die direkt von der Schule kommen, ist der Wechsel in die Arbeitswelt ein großer Schritt. Sie haben häufig wenig Berufserfahrung, viele offene Fragen und ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung. Genau das kann Preboarding leisten – wenn es bewusst und systematisch eingesetzt wird. Es geht nicht darum, den Azubis bereits Arbeit zu geben, sondern darum, sie menschlich abzuholen, ihnen Struktur zu geben und sie mental auf ihren Start vorzubereiten.
Wie sich Preboarding positiv auf Motivation, Loyalität und Ausbildungsqualität auswirkt
Die Wirkung von Preboarding ist nicht nur kurzfristig – sie reicht tief in die Ausbildung hinein. Ausbilder berichten immer wieder, dass Azubis, die durch ein gutes Preboarding geführt wurden, deutlich sicherer, motivierter und aktiver in die Ausbildung starten. Sie wissen, was sie erwartet, sie fühlen sich willkommen und sie haben das Gefühl, vorbereitet zu sein. Das schafft Selbstvertrauen – ein entscheidender Faktor, um sich im neuen Umfeld zurechtzufinden.
Außerdem reduziert Preboarding ganz konkret das Risiko von Ausbildungsabbrüchen. Wer sich bereits emotional mit dem Unternehmen verbunden hat, wird nicht so leicht durch Unsicherheiten oder externe Angebote verunsichert. Die Loyalität beginnt nicht mit dem Arbeitsvertrag, sondern mit dem Gefühl: „Ich bin hier gewollt und willkommen.“ Gerade in Zeiten hoher Abbruchquoten in der Ausbildung kann Preboarding ein wirkungsvoller Hebel sein – nicht nur zur Vorbeugung, sondern auch zur langfristigen Bindung.
Darüber hinaus steigert ein gutes Preboarding die Ausbildungsqualität selbst. Azubis, die den Betrieb bereits kennengelernt haben, die Ansprechpartner zuordnen können, sich vielleicht sogar mit anderen Azubis ausgetauscht haben, sind schneller arbeitsfähig. Sie kennen die Grundregeln, die Kultur, vielleicht sogar den Dresscode – und müssen nicht alles gleichzeitig am ersten Tag lernen. Das entlastet auch die Ausbilder:innen und reduziert typische Startprobleme.
Was Unternehmen konkret tun können – ohne riesigen Aufwand
Ein effektives Preboarding braucht keine großen Budgets. Vielmehr geht es um Haltung, Aufmerksamkeit und eine sinnvolle Struktur. Persönliche Kontaktaufnahme nach Vertragsabschluss, kurze Willkommensnachrichten, eine Einladung zu einem Kennenlern-Nachmittag oder das Angebot, sich bei Fragen jederzeit zu melden – all das signalisiert: Du bist uns wichtig.
Auch kleine Gesten machen einen Unterschied. Ein Päckchen mit einem Willkommensschreiben, einem Unternehmens-Flyer oder sogar einem kleinen Goodie bleibt in Erinnerung. Ebenso hilfreich: ein kurzes Video, das erklärt, wie der erste Ausbildungstag abläuft, welche Kleidung angebracht ist und an wen man sich bei Unsicherheiten wenden kann. Solche Informationen reduzieren Nervosität und zeigen, dass man sich Gedanken gemacht hat.
Noch besser ist es, wenn der neue Azubi nicht nur Informationen bekommt, sondern erste Beziehungen aufbauen kann. Ein digitaler Austausch mit anderen neuen Azubis, ein lockerer Vorab-Call mit dem oder der Ausbilder:in oder sogar eine Einladung zu einem gemeinsamen Workshop oder Azubi-Projekt im Sommer vor Ausbildungsstart – das schafft Verbindungen, die am ersten Tag spürbar sind.
Wichtig ist dabei: Preboarding ist kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Ein Kontakt alle paar Wochen genügt oft schon, um Vertrauen aufzubauen und Verbindlichkeit zu signalisieren. Wer es schafft, diese Phase aktiv zu gestalten, schafft einen entscheidenden Vorsprung – sowohl gegenüber anderen Arbeitgebern als auch für den weiteren Verlauf der Ausbildung.
Preboarding in der Praxis: Was gute Unternehmen anders machen
Unternehmen, die Preboarding erfolgreich umsetzen, sehen diese Phase nicht als lästige Pflicht, sondern als echte Chance. Sie nutzen das Preboarding nicht nur für Organisation, sondern auch zur Profilbildung: Was macht uns als Ausbildungsbetrieb besonders? Was erwartet dich bei uns – fachlich, menschlich, kulturell?
In Workshops mit Ausbildungsleitungen und HR-Verantwortlichen arbeite ich immer wieder daran, diesen Kulturwandel sichtbar zu machen. Es geht nicht darum, die Ausbildung neu zu erfinden, sondern sie bewusster zu gestalten. Und das beginnt eben nicht am ersten Tag im Betrieb, sondern viel früher.
Viele Unternehmen sind überrascht, wie viel Wirkung bereits mit wenigen, durchdachten Schritten erzielt werden kann. Und wie sehr sich das auf die spätere Ausbildungszufriedenheit, den Teamspirit und die Übernahmequote auswirkt.
Fazit: Wer Preboarding vernachlässigt, verschenkt Potenzial
Zwischen Vertragsunterschrift und Ausbildungsstart entscheidet sich viel. Unternehmen, die diese Zeit aktiv gestalten, schaffen Vertrauen, erhöhen die Bindung und legen den Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Preboarding ist keine Kür – es ist strategisch sinnvoll, emotional wirksam und operativ umsetzbar. Wer Talente halten will, muss sie nicht nur gewinnen – sondern von Anfang an begleiten.