Blog für Teambuilding und Mitarbeiterentwicklung
Meetings, mehr als Zeitverschwendung
Smarte Ziele vs. vage Absichtserklärungen
Heute hat mich die Frage erreicht, was man denn tun könne, wenn man extra immer die komplette Belegschaft zusammentrommelt (in diesem Fall sogar außerhalb der Öffnungszeiten, das heißt mit entsprechendem Mehraufwand für alle Angestellten) und trotzdem bei Besprechungen und Meetings nach viel Gerede, großem Brainstormen und einem super Gefühl für alle, letztendlich nichts herauskommt was wirklich umgesetzt wird und sich dadurch nichts ändert.
Zielsetzung von Meetings
Als erstes muss ich sagen, dass ich es als sehr positiv betrachte, wenn am Ende eines Meetings alle ein gutes Gefühl haben. Dass sich die Stimmung durch Besprechungen verbessert und sich jeder gehört und ernstgenommen fühlt, spricht schon sehr für das Betriebsklima und die Moderation des Treffens durch die Führungskraft oder den bzw. die dafür Verantwortliche. Also immerhin ist erstmal kein Bedarf für Teambuilding ersichtlich.
Langfristig ist diese Tatsache natürlich nicht genug. Meetings sind kein Betriebsausflug und keine Incentive-Veranstaltung um verdiente Mitarbeiterinnen zu belohnen, sondern sie haben einen bestimmten Grund und wenn man die Zeit dafür opfert, Angestellte vom Arbeitsplatz wegholt oder extra kommen lässt, dann soll am Ende auch ein Ergebnis erreicht werden, das diese Mühen und Kosten aufwiegt.
Motivation der Mitarbeiter
Kreative Ideen? Tolle Einigung erreicht? Und was machen wir jetzt damit? Wir überspringen jetzt den eigentlichen Inhalt des Meetings und den ja oft genug schwierigen Weg zu einem Ergebnis und gehen davon aus, dass unser fiktives Meeting etwas Umsetzungswürdiges hervorgebracht hat.
Theoretisch und aus Sicht der Arbeits- bzw. Organisationspsychologie betrachtet, ist die Umsetzung des Besprochenen (also zum Beispiel Neuartiges in Angriff zu nehmen oder eine Änderung des Verhaltens) eine Sache der Motivation.
Um motiviert etwas zu tun, bedarf es eines Ziels und eines wie auch immer gearteten Feedbacks, ob man sein Ziel erreicht hat, beziehungsweise auf dem richtigen Weg dorthin ist. Wissenschaftlich formuliert haben das unter anderem Locke und Latham in ihrer Zielsetzungstheorie. Natürlich bestimmen eine Vielzahl von Eigenheiten des spezifischen Ziels die Art und Stärke der Motivation. Was aber oft außer Acht gelassen wird, ist dass erstmal ein klares Ziel definiert werden muss. Die Tatsache, dass ja für jeden offensichtlich gerade lang und breit im Meeting darüber geredet wurde, was verändert und angegangen werden muss, hilft leider nur bedingt.
SMARTe Ziele
Was tatsächlich hilft ist das zu recht sehr bekannte Konzept der smart formulierten Ziele. Ein Konzept das seit Anfang der achtziger Jahre nichts von seiner Popularität verloren hat, während manche Methoden des Projektmanagements zwischenzeitlich kamen und wieder gingen. Sicherlich gibt es die Grundlagen des Konzepts schon deutlich länger, nur eben unter anderer Formulierung. Meine Recherche wer die eingängige Formulierung eingeführt hat, führte zu zwei Varianten der Geschichte, die ich hier nicht vollständig aufklären kann. So seien also zum einen Hersey und Blanchard (1977) und zum anderen George T. Doran (1981) erwähnt.
Was ist also konkret zu tun mit unserem noch volatilen Ergebnis am Ende der Besprechung, damit es zu einem smarten Ziel wird.
Der Begriff smart steht hier natürlich nicht nur für ein schlaues Ziel, sondern ist ein Akronym, das heißt jeder Buchstabe steht für ein eigenes Wort:
s – specific
m – measurable
a – accepted
r – reasonable
t – time-bound
Im Laufe der Jahre sind je nach Anwendungszweck noch einige Bedeutungen der Buchstaben hinzugekommen, die sehr hilfreich sein können. Aus meiner Sicht wichtig sind vor allem noch achievable und relevant. Das Ergebnis muss also smart formuliert (und vor allem auch so festgehalten) werden um die höchsten Chancen einer Umsetzung zu haben. Im Einzelnen erläutert:
– Das Ziel muss spezifisch sein, das heißt, es muss klar und konkret definiert werden was passieren soll.
– Wichtig ist die Messbarkeit. Konkret lautet die Frage: „Wann weiß ich, dass ich mein Ziel erreicht habe, an was werde ich das sehen?“ Ohne diese Messbarkeit verschleppt sich der Prozess oft sehr lange und es wird lange „herumgewerkelt“ ohne klare Verbesserungen.
– Das formulierte Ziel, das es zu erreichen gilt, muss von allen akzeptiert werden und natürlich auch erreichbar (achievable) sein.
– Das vereinbarte Ziel muss vernünftig und realistisch wirken, damit man motiviert ist sich damit zu beschäftigen und an der Umsetzung zu arbeiten.
– Zum Schluss wird vereinbart bis wann das Ziel umgesetzt sein muss oder zumindest wann bei Nichterreichung an Stellschrauben gedreht werden muss.
Nicht immer ist es einfach auf alle Punkte genügend einzugehen und manchmal höre ich die Kritik, dass das Konzept bei sehr kreativen Aufgaben mit offenen Zielen zu starr sei. Aber gerade wegen der strengen Leitlinien unterscheidet es sehr gut zwischen reinen Lippenbekenntnissen und echten Zielvereinbarungen.
Zusammenfassung
Smarte Ziele helfen also vor allem durch die Buchstaben s, m und t dabei ein Feedback zur eigenen Arbeit zu bekommen, in dem Sinne, dass man selbst überprüfen kann ob man noch an ausgemachten Zielen arbeitet, ob man diese schon erreicht hat und wenn nicht, wie viel Zeit einem noch bleibt.
Wenn man den großen Kreis zurück zur Zielsetzungstheorie schließt, dann hilft genau dieses Wissen dabei, mit gesteigerter Motivation an die Umsetzung von Veränderungen oder neuen Aufgaben zu gehen. Wegstrecken, bei denen man das Ziel und den weiteren Verlauf nicht kennt, demotivieren und lassen einen irgendwann abweichen oder beim ersten schwierigen Stück abbrechen.
Und das ist dann auch die Antwort auf die anfangs gestellte Frage. Die Nachhaltigkeit von Planungen und Beschlüssen lässt sich deutlich steigern, wenn die Ergebnisse so festgehalten werden, dass sie der smart-Formel entsprechen:
„Die klar definierten Ziele, deren Erfüllung messbar sein muss, die auch akzeptiert und für sinnvoll erachtet werden, werden mit dem dafür vorgesehenen Zeitrahmen in eine Abschlussvereinbarung geschrieben.“
Mediation! Nein, da fehlt kein zweites „t“!
Für viele klingt der Begriff Mediation auch viele Jahre nach der Etablierung dieser Methode noch reichlich esoterisch, nach Familienaufstellung und sanfter Musik und damit dann doch wieder nicht so weit weg von Räucherstäbchen, Klangschalen und Yogamatte.
Selbsthilfe für Arbeitsteams bei Konflikten
Was dahintersteckt ist jedoch was gänzlich anderes. In der Mediation geht es letztendlich darum, Konflikte durch die Leute klären zu lassen, die sich sowohl fachlich als auch auf der Beziehungsebene zum Streitgegenstand am besten damit auskennen sollten. Gemeint sind die Konfliktparteien selbst.
Es geht also ein Stück weit um Hilfe zur Selbsthilfe, immer in der Annahme, dass die Konfliktparteien zum einen fachlich kompetent sind und zum anderen am besten wissen, welche Lösung sie akzeptieren können und welche nicht. Hilfe gibt es vor allem in der Kommunikation.
Anders können viele Konflikte in Unternehmen nicht gelöst werden, fast nie kann es eine Option sein einen externen Fachexperten zu holen, der sofort die Prozesse durchschaut, die Probleme des Teams erkennt und eine allgemeingültige Lösung verkündet, von denen alle sofort überzeugt sind und die so zur Glückseligkeit beiträgt. Wenn sich ein sofort verfügbarer und bezahlbarer Guru in Ihrem Fachgebiet finden lässt und er sich so viel besser auskennt als die eigenen Leute, dann ist wohl eher die Frage erlaubt, warum Sie ihn nicht sofort einstellen.
Bei der Mediation soll es eben spezifisch nicht darum gehen, dass ein Teamexterner ein Urteil fällt und sei es noch so salomonisch. Sondern die Konfliktpartner sollen einander verstehen und die Hintergründe ihrer Positionierung zu kommunizieren lernen. Letztendlich ist diese Unterscheidung zwischen Position und dahinterliegendem Interesse der wichtigste Schritt zur Lösung der meisten Konflikte, die auf verhärteten Positionen und dem Mangel an zielführender Kommunikation beruhen.
Genau diese Unterscheidung bildet auch den Mittelpunkt des sogenannten Harvard-Konzepts zur Konfliktlösung aus Roger Fishers gleichnamigen Buch von Anfang der 80er Jahre. Es ist sicherlich kein Zufall, dass dieser Ansatz von Mediatoren und Streitschlichtern in Projekten eingesetzt wurde und noch wird, die sich von kleinen innerbetrieblichen Streits bis zu bilateralen, bewaffneten Konflikten erstrecken.
Mediation im Überblick – die fünf Phasen
Die Fachliteratur bietet unzählige, teils sehr gute Werke zum Thema Mediation mit vielen hilfreichen Informationen, deren Fülle ein Blogartikel sicherlich nicht gerecht werden kann. Darum nur ein schneller Überblick:
– Die Vermittlung, denn nichts anders bedeutet Mediation, muss von einer unbeteiligten Person, die von den Konfliktparteien akzeptiert wird, begleitet werden.
Oft ist es eine schwierige Entscheidung, ob ein Mediator des Unternehmens oder ein Externer eingesetzt werden soll. Kurz gesagt, beides kann Vorteile haben. Der Interne kennt die Gegebenheiten, Produkte, Märkte und höhergeregelten, unumstößlichen Vorgaben. Der Externe hat oftmals den weiteren Blick und ist eben nicht in einem ‚das haben wir hier schon immer so gemacht‘ festgefahren.
– Das ganze Konzept beruht auf Freiwilligkeit und der Eigenverantwortlichkeit der Parteien, das heißt niemand darf erwarten, dass ein Mediator eine Lösung vorschlägt oder gar vorgibt, nach der dann in Zukunft gearbeitet wird. Auch kann kein Auftraggeber das gewünschte Ergebnis schon mit auf den Weg geben und davon ausgehen, dass der Mediator die Parteien auf den gewünschten Weg ‚schubst‘ oder leitet.
– Mediation läuft lehrbuchmäßig in fünf Phasen ab
1. Den Beteiligten muss das Verfahren vorgestellt werden. Es muss klar sein, warum der Mediator da ist, was seine Rolle ist, wie Gespräche geführt werden sollen und über die Vertraulichkeit der Inhalte informiert.
2. Konfliktpunkte sind oft weit verzweigt und betreffen ganz verschiedene Bereiche. Bevor inhaltliche Bereiche angesprochen werden, geht es erstmal darum, welche Themen denn besprochen werden sollen. Die Beteiligten sollen ihre Sichtweise und den Umfang der Probleme schildern. Das ist eine Phase, die häufig nicht ohne den Drang zur Gegenrede anderer Beteiligter ablaufen kann.
3. Die oben schon erwähnte Auflösung von Positionen, zugunsten der klaren Kommunikation von Interessen, Sichtweisen und Hintergründen zu Verhaltensweisen steht in der dritten Phase im Vordergrund. Das alles ist sehr viel Arbeit, denn nur das Kommunizieren von Sachverhalten bedeutet leider noch lange nicht, dass diese verstanden und geglaubt werden.
4. Der Mediator moderiert eine Ideensammlung zur Konfliktlösung oder lässt sie moderieren. Das heißt, auf Grundlage der in 3. erarbeiteten Punkte werden jetzt umsetzbare Veränderungen gesucht, mit denen alle einverstanden sind. Mit zu schnellen Lösungen, die alle Abnicken um schnell aus der Situation zu kommen, sollte man sich nicht zufriedengeben, immerhin liegt es an den Konfliktparteien selbst, diese Lösungen später mit Leben zu füllen und zu tragen. Andererseits schadet auch ein kleiner Realitätscheck der manchmal sehr kreativen Ideenfindungen nicht.
5.Wer schreibt, der bleibt. Auch in der Mediation gilt dieser vielzitierte Satz. Und wenn schon nicht schriftlich, dann mindestens eine gut diskutierte Vereinbarung, was in Zukunft wie gemacht werden soll. Allerspätestens hier muss der Mediator auch sichergehen, dass jede Partei mit der Lösung zufrieden ist und nicht nur resigniert zustimmt. Ansonsten muss wieder der Weg über die früheren Punkte gegangen werden.
Mediation löst Konflikte ohne Verlierer zu hinterlassen
Je nach Schwere des Konflikts und nach Einsatzgebiet kommen natürlich noch etliche weitere Hürden und Unterpunkte dazu. Die wichtigste Frage ist sicherlich die nach der Person des Mediators oder der Mediatorin (die natürlich während des ganzen Beitrags immer mit gemeint ist).
Gesprächsführung, das Ausklammern von eigenen Meinungen, Umgang mit aggressiven Einwänden oder mit Konfliktparteien mit deutlich unterschiedlichen Graden an Extraversion sind Dinge, die man kaum erschöpfend in einem innerbetrieblichen Wochenendseminar lernen kann, andererseits ersetzt kein Mediations-Masterstudiengang wichtige Punkte wie Erfahrungen in den Sprachmustern, Kenntnisse über Fachbegriffe und Marktbesonderheiten in der Zielbranche.
Hier zur einen oder anderen Lösung bei der Suche nach einem passenden Mediator zu raten ist schlicht unmöglich. Unternehmen, Konfliktparteien und Mediator(enteam) müssen zur Zielerreichung gut zusammenpassen. Aber wenn dies der Fall ist, dann bringen sie Arbeitsteams weit nach vorne und können Lösungen schaffen, die weithin getragen werden. Ohne dass eine Seite ihr Gesicht verliert und damit auch ohne Einbußen im individuellen persönlichen Wohlbefinden und in der Produktivität des Teams. Und zwar deutlich besser als durch Meditation.
Thema Studierfähigkeit… (1)
Wie so oft sind Aufregerthemen weder neu, noch einzigartig bezeichnend für die sich gerade damit beschäftigende Generation. So ist das Thema Studierfähigkeit sicherlich mindestens seit Trost/Bickel (1979) aktuell und wird heiß diskutiert. Dennoch hat sich in den letzten knapp 40 Jahren einiges geändert und wie es der Lauf der Zeit so mit sich bringt, vollziehen sich diese Änderungen immer schneller und radikaler.
Schlüsselkompetenzen
Dieser erste Teil zum Thema Studier(un)fähigkeit und adäquater Maßnahmen beschäftigt sich mit den bisher erworbenen Schlüsselkompetenzen von Studierenden und Studienanfängern.
Lassen Sie mich etwas ausholen und erstmal einen Blick auf die Herkunft unserer zukünftigen Studenten wagen. In der gymnasialen Ausbildung von zukünftigen Studienanfängern hat sich in den letzten Jahren einiges geändert, meiner Meinung nach zum Positiven.
Dort wo motivierte, modern ausgebildete oder weitergebildete LehrerInnen den Unterricht gestalten, sieht alles ein gutes Stück anders aus als noch vor 20 Jahren. Neben Frontalunterricht, der zur Vermittlung bestimmter Fähigkeiten und Qualifikationen natürlich das richtige Mittel sein kann, findet deutlich mehr „Lern-“ Arbeit in Gruppen statt. Schüler und Schülerinnen sind deutlich mehr dran gewohnt ihre Arbeit und Ergebnisse gegenüber Mitschülern zu verteidigen, Feedback anzunehmen und Feedback zu geben. Die Meinung der Lehrkraft ist dabei erstmal nur eine unter vielen, wenn auch natürlich eine Stimmungsbildende. Zum Zeitpunkt der Bewertung durch Noten hat der Schüler oder die Schülerin im Idealfall so viel Meinungen und Verbesserungsvorschläge zur eigenen Leistung gehört, dass er/sie selbstständig dazu in der Lage ist eine gute Arbeit abzuliefern.
Wie bei allem gibt es natürlich auch dabei einige Hürden und sicherlich auch immer wieder für die Lehrkraft demotiverende Momente.
Zum einen ist es deutlich einfacher Aufsätze oder Teile davon erstmal in Gruppen zu erarbeiten als das Ergebnis einer schriftlichen Division. Feedback, Meinungen und Gegenstimmen lassen einen möglicherweise nochmal über die ideale Formulierung einer Übersetzung aus dem Englischen nachdenken. Die persönliche Meinung meines Mitschülers zu meiner Berechnung eines Brechungsindexes einer Linse mag zwar wohlwollend formuliert und hilfsbereit dargebracht sein, das Ergebnis der Aufgabe lässt sich aber wohl nicht diskutieren.
Das heißt es müssen auch für die MINT-Fächer anwendungsbezogene und trotzdem nicht zu schwere Projekte und Aufgaben gefunden werden und Material bereitgestellt werden, mit dem zu komplexe Probleme trotzdem mit einem gewissen Maß an Eigenständigkeit gelöst werden können. Diese Erarbeitung der Materialien und der Aufgaben benötigt eine hohe Vorbereitungszeit, viele Lehrkräfte leisten diese Arbeit aber ganz wunderbar und sind sogar noch altruistisch genug, Anleitungen und Beispiele frei zugänglich im Internet zu präsentieren.
Zum anderen löst Feedback stark Gefühle hervor, wenn man es unerwartet kommt. Ganz gleich ob zum unerwarteten Zeitpunkt oder von unerwarteter Seite. Blicken wir auf die Zeit zurück, bevor diese Methoden Teil des Unterrichts wurden, beziehungsweise in der sie nur ein Nischendasein geführt haben.
Feedback von Klassenkameraden und Arbeitskollegen
Viele der über 30-jährigen beschleicht ein ungutes Gefühl, wenn sie an die eigene Schulzeit in Unter- und Mittelstufe zurückdenken. Wie sehr hatte man gehofft, gerade heute nicht seinen – mehr als etwas schludrig – hin gekritzelten Aufsatz vorlesen zu müssen und doch traf einen das Fallbeil in Gestalt des eigenen Namens, ausgesprochen vom Deutschlehrer. „Florian, lies doch bitte mal deinen Aufsatz vor!“ Ein Gefühl, dass sicherlich einige noch gut, wenn auch ungern, in sich hervorrufen können. Das wirklich befremdliche für unsere Generation wäre jetzt, wenn während man auf ein Urteil des Lehrers oder der Lehrerin wartet, sich plötzlich in der Reihe vor einem ein Mitschüler umdrehen und einem sagen würde: „Die Einleitung fand ich ganz gut[1], die hat wirklich Lust gemacht den Rest auch anzuhören. Besser machen könntest du vielleicht dein zweites Argument für die Einführung von Schuluniformen, das hat mich so nicht überzeugt.“[2]
„Ungeheuerlich! Was erdreistet sich der Mitschüler ungefragt meinen Aufsatz zu kritisieren. Soll er doch seinen vorlesen, bzw. hätte er sich halt gemeldet als der Lehrer gefragt hat, wer vorliest. Dann wäre mir die ganze Schmach erspart geblieben!“
Mit einem Abstand von etlichen Jahren betrachtet und einer möglicherweise etwas erwachseneren Sichtweise lässt sich das Vorkommnis rational zerlegen.
Was ist denn passiert? Ich habe von jemandem Rückmeldung zu meiner Arbeit bekommen, der das selbe durchgemacht hatte wie ich. Jemand, der sich zum gleichen Zeitpunkt ungefähr genauso viel oder wenig mit dem Thema beschäftigt hatte, der ähnliche Vorerfahrungen hat.
Das lässt sich doch als Schüler viel besser annehmen als die Meinung einer Lehrkraft mit Abitur, Studium und jahrelanger Erfahrung in der Korrektur des Themas „Erörtern Sie die Vor- und Nachteile der Einführung von Schuluniformen“.[3]
Dennoch wäre es für uns ungewohnt gewesen, diese direkte Kritik „aus den eigenen Reihen“ zu bekommen, genauso ungewohnt wie vor die Aufgabe gestellt zu werden, die Arbeit eines Mitschülers bewerten zu müssen. Viel mehr als ein gestammeltes „ähm, also die Lisa hat das eigentlich schon gut gemacht, war ok“ hätte von uns damals wohl nicht erwartet werden können. Zum einen weil man natürlich niemanden bloßstellen will, man könnte ja am nächsten Tag in derselben Situation sein und zum anderen weil man in der Schule ja frühzeitig gelernt hatte, wenn jemand anderes seinen Aufsatz vorlesen muss, dann ist der Kelch wohl an mir vorübergegangen, ich darf aufatmen, habe aber auch keine weitere Aufgabe, während der Lehrer über Lisas Ausführungen urteilt und Tipps zur Verbesserung gibt.
Im Arbeitsumfeld ist es dann plötzlich anders. Tools wie 360° Feedback sind in vielen Firmen implementiert. Man darf und soll ganz offiziell Vorgesetze, Untergebene, Kollegen beurteilen. Genauso sieht das Idealbild einer offenen Unternehmenskultur aber auch vor, dass man Fehler machen darf, dass jeder Fehler des Anderen ansprechen und Verbesserungsvorschläge bringen soll. Top-Arbeitnehmer und Absolventen werden mit Anzeigen gesucht, die Bilder beinhalten, die zeigen wie circa fünf Leute in Business-Outfits lachend um einen Monitor, Flipchart oder ähnliches herumstehen und miteinander beraten, Fehler suchen und offensichtlich eine tolle gemeinsame Lösung für eines der großen Probleme der Menschheitsgeschichte finden.
Dummerweise bewerben sich da im Moment gerade noch Menschen, für die es das größte Glück war, dass jemand anderes seinen Aufsatz vorlesen musste.
Schulen (bzw. die Lehrerausbildung) und Hochschulen haben das erkannt. Und sie haben nahezu gleichzeitig etwas getan.
Mittlerweile sind Gruppenarbeit, Feedback und das Finden von gemeinsamen Lösungen keine Tabu-Themen mehr in der Schule und Hochschule. Nur genauso schwer wie uns das damals gefallen wäre, fällt es Schülern und Studenten heute noch. Das bedeutet, man muss es Üben. Und zwar oft und an konkreten Dingen. Eine reine Theorieeinheit zu Feedback hilft leider wenig, bei sehr jungen Zuhörern eher gar nichts.
Damit dieses Instrument verinnerlicht wird, muss es zur Gewohnheit werden. Also reicht es nicht, wenn nur die junge, engagierte Deutschlehrerin[4] eine tolle und wichtige Feedbackkultur schafft, ihre KollegInnen aber diesem Thema ablehnend gegenüberstehen. Damit wird es den SchülerInnen immer fremd bleiben und als nur zum Deutschunterricht zugehörig angesehen werden. Zumal das Erklären bestimmter Lösungsfindungsmethoden in der Gruppe beim ersten Mal viel Zeit beansprucht, das Einüben von Methoden erstmal wenig Raum für Inhalte lässt.
Schafft es hingegen ein komplettes Lehrerkollegium sich auf einen Methodenkatalog zu einigen, den jeder dann individuell etwas auf die Herausforderungen seines Fachs abstimmen kann, dann spart man im Unterricht viel Zeit. Die verschiedenen Rollen innerhalb einer Gruppe sind den Schülern klar, sie wissen, welche Materialien sie brauchen und haben die Chance die Methoden so weit zu internalisieren, dass die erarbeiteten Inhalte wirklich zielführend sind. Alle Fachlehrer mit ins Boot zu holen ist natürlich schwierig und bedarf großer Abstimmung, gemeinsamer Weiterbildung und eines gewissen Zeitaufwands.
Warum dieser Exkurs in die Welt der Schule? Ganz einfach, weil sich an den Hochschulen gerade Schüler aus dem neuen und aus dem alten System einschreiben, man also die Fähigkeit zu Teamwork, Gruppenarbeit und Peer-Reviews nicht voraussetzen kann.
Möglichkeiten der Vermittlung von Schlüsselkompetenzen an Hochschulen
Die Hochschulen, die ich näher kenne, gehen gleichzeitig einen ähnlichen Weg, wenn auch natürlich auf Zielgruppe und Lerngeschwindigkeit abgestimmt auf einem anderen Niveau um die oben genannten Fähigkeiten einzuführen. Das bedeutet möglichst frühzeitig eigenes Erarbeiten von Inhalten in Gruppen, mit eigener Aufteilung und eigenen Zeitplänen in Projektteams.
Nun mag man anmerken, dass die Entwicklung doch genau umgekehrt sei. Immer mehr Vorgaben, immer mehr schulische Strukturen, nicht zu vergleichen mit dem Studium in früheren Jahrzehnten mit unendlich vielen Möglichkeiten, unendlich viel Zeit und unendlich langen Haaren. Das ist richtig. Das macht es aber nicht einfacher. Die Menschen im System haben sich ja nicht geändert. Nur dass sie sich jetzt auch noch für inhaltlich unbekannte Projektarbeiten mit vergleichbar unstrukturierten Kommilitonen abstimmen müssen, die auch nie gelernt haben zusammenzuarbeiten. Und noch sind Studierende an den Hochschulen, für die diese Methoden nicht selbstverständlich sind, die in ihrer Schulzeit Gruppenarbeit nur als Randerscheinung kennengelernt haben.
Möglicherweise wird das alles besser, wenn die neue, methodisch bestens geschulte Generation aus der Schule in die Hochschulen wandert. Hilft jetzt aber nichts.
Für die jetzigen Probleme der derzeitigen Studenten haben viele gute Hochschulen einiges an Förderung im Programm. Seminare zur Vermittlung von Soft Skills, Vorlesungen zu Schlüsselkompetenzen und natürlich die erwähnten Projekt- und Gruppenarbeiten sehr früh im Curriculum. Manchmal zu früh, wenn keine sinnvolle Begleitung stattfindet. Und mit Begleitung ist nicht in erster Linie die fachliche Begleitung gemeint.
Entweder man erarbeitet sich als Gruppe zusammen schwierigste Inhalte oder man erarbeitet sich Methoden zur Gruppenarbeit. Wie schon bei der mühsamen Einführung dieser Methoden in der Schule geht nicht beides parallel auf hohem Niveau. Das wird leider häufig vergessen oder es fehlen die koordinierenden Stellen. Zumal die Hochschullehre natürlich von Dozenten sehr frei gestaltet wird und es erfahrungsgemäß einer Menge Überzeugungsarbeit bedarf mehrere Dozenten zwecks inhaltlicher und methodischer Absprache an einen Tisch zu bekommen. Und selbst dann sind Zeit- und Raumpläne an Hochschulen oft sehr eng und jeder anders genutzte Block fehlt einem sehr schnell bei der Behandlung des Stoffes.
Aus meiner Sicht gut geeignet um sowohl fachliches als auch (gruppen-)methodisches Können zu vermitteln ist daher ein semesterlanger Workshop gleich zu Beginn der Studienkarriere. Eine Gruppen- oder Projektarbeit begleitend zu den Vorlesungen, die den Studierenden abverlangt, sich selbst zusätzlich zu den in der Theorie vermittelten Inhalten noch Best-Practice-Beispiele zu suchen, und anwendungsspezifische Kenntnisse oder handwerkliche-methodische Fähigkeiten zum Studienfach selbst und selbstverwaltet anzueignen. Zur Unterstützung und zur Anregung des implizierten Lernens von Projekt- und Zeitmanagements sollten diese Gruppen immer wieder phasenweise begleitet werden. Möglich ist zum Beispiel eine Auftaktveranstaltung zum Thema Gruppendynamik, Zielsetzung und -erreichung und Grundzüge des Konfliktmanagements, gerne auch theoretisch gehalten, da hier letztendlich nur Anker gesetzt werden sollen, damit später die gleichen Begrifflichkeiten verwendet werden können und erstmal etwas für das Thema sensibilisiert werden soll.
Zum Startpunkt von Gruppenprozessen bei Studierenden ist die Überzeugung, dass das alles ohne Konflikte ablaufen wird, ebenso wie die Euphorie meist sehr hoch. Die Bereitschaft sich mit dem Thema Gruppendynamik und etwaiger Schwierigkeiten auseinanderzusetzen ist entsprechend gering. Dementsprechend hat sich gezeigt, dass am Anfang ein kurzer theoretischer Input sinnvoll ist, Teamübungen losgelöst vom Projektthema sind höchstens zum Kennenlernen sinnvoll, aber eher weniger zur Einübung von Konfliktlösungsstrategien.
Nach einer ersten Phase des sich Ausprobierens in der Gruppe empfiehlt sich eine Art Coachingtermin, bei dem Probleme mit Gruppenmitgliedern, mit der Zielerreichung und dem Zeitplan erörtert werden können. Wichtig hierbei ist das klare Trennen zwischen fachlicher Unterstützung und Coaching. Die Gruppe soll durch den Coach eigenständige Lösungen finden, sich selbst Ziele setzen und kann sich dadurch auch deutlich besser mit ihnen identifizieren. Für echte fachliche Probleme ist der Fachdozent und Themensteller verantwortlich, der sich in Abständen die bereits geleistete Arbeit präsentieren lässt und natürlich auch lenkend eingreift, wenn die Gruppe nicht zielführende Lösungen erarbeitet oder sich unrealistische Ziele setzt.
Um den Lernerfolg auf der Ebene des Zusammenarbeitens und der Gruppendynamik nachhaltig zu festigen muss hinterher der Verlauf der Projektarbeit nochmals geführt reflektiert werden. Auf Wendepunkte, Konfliktzeiten und deren Auflösung muss nochmals hingewiesen werden, damit Zusammenhänge klarwerden.
Mit dieser beiläufigen Schulung im Management von Mikro-Projekten, fernab von grauer Theorie, entwickeln sich auch die sozialen und personalen Kompetenzen. Zeit- und Selbstmanagement, Präsentieren, das Einstehen für eigene Meinungen, aber auch Neugier und Durchhaltevermögen sind die Eigenschaften, die Studienanfängern heutzutage häufig abgesprochen werden.
Möglicherweise weil es bisher jeder Generation gefehlt hat, aber die aktuelle immer die schlimmste ist, möglicherweise weil zurzeit tatsächlich eine Generation zwischen den bildungspolitischen und methodischen Stühlen ihre Hochschulreife erwirbt. Möglicherweise aber auch weil genau diese formale Hochschulreife auf immer mehr unterschiedlichen Wegen zu bekommen ist und eine Vergleichbarkeit der Vorkenntnisse und Fähigkeiten immer schwieriger wird.
Diese Schlüsselfähigkeiten werden immer am einfachsten gelernt, wenn es Bedarf und Anwendungsmöglichkeit gibt, Theorie-Input also sofort getestet werden kann.
Gleichzeitig bietet sich so für die Hochschule die einzigartige Gelegenheit durch diese Vertrauensperson, die nah an den Studierenden und ihrer Gedankenwelt sind, dafür möglicherweise aber keine Zensuren verteilen werden, die Stimmung und Bedürfnisse der Studierenden zu erfahren. Probleme in der Abstimmung zwischen Fachgebieten, Unzureichende Anleitung bei noch zu komplexen Themen und widersprüchliche Arbeitsanweisungen von verschiedenen Betreuern sind Dinge, die so aufgenommen werden können ohne auf Evaluierungsbögen warten zu müssen.
Studierende brauchen kein Klassenlehrerprinzip und sollen auch keins erhalten, aber eine Vertrauensperson, die nicht aktiv aufgesucht werden muss, sondern wie selbstverständlich regelmäßig im Semester die Chance hat frei in Kleingruppen mit den Studierenden zu reden, verbessert die Stimmung immens, kann aber ebenso überzogene Forderungen begründet zurückweisen. Die Studierenden, die Kunden des „Dienstleisters Hochschule“ werden es danken, die Außenwirkung und der Ruf der Hochschule werden sich verbessern.
Sich über Defizite zu beklagen hilft leider nur bedingt weiter. Wenn für eine niedrige Drop-Out-Quote die heutige Generation auch beim Studienanfang noch an die Hand genommen werden muss, dann muss das eben geschehen. Allerdings gut durchdacht und das heißt auch, möglichst von einer einzelnen Person, die die Studierenden bald kennt und einschätzen kann und weniger im Rahmen einer Ringvorlesung zu Schlüsselkompetenzen. Soft Skills können am besten in kleineren Gruppen und anwendungsnah vermittelt werden und lassen sich wunderbar mit (Hochschul-)Karrierecoaching verbinden. Das Ganze möglichst mit der Fachdidaktik verzahnt und in einer so wirkungsvollen Art und Weise, dass die Kinder möglichst schnell alleine und in Gruppen laufen lernen und der weiteren Hochschulwelt gewachsen sind.
[1] Falls je mit NLP in Berührung gekommen, heißt das natürlich: „Florian, deine Einleitung…“
[2] Wenn sich nicht alles geändert hat seit meiner Schulzeit, dann sollte es das Thema als Erörterung immer noch geben und wird wohl auch nie ausgewechselt werden.
[3] Dass die Lehrkraft und ihre Ausbildung eine Daseinsberechtigung hat ist unbestritten, nicht alles was man lernen muss lässt sich selbst erarbeiten, Inhalte und Methoden müssen sorgfältig und passend ausgewählt und bereitgestellt werden.
[4] Ich wurde darauf hingewiesen, dass eine „junge, motivierte Deutschlehrerin“ zu sehr einem Geschlechterklischee entspricht. Da ich beim Schreiben eine ganz bestimmte Person im Kopf hatte, von der ich weiß, dass Sie ihren Beruf ganz wunderbar ausübt, werde ich diese Kritik direkt weiterleiten und sie bitten in Zukunft bitte weniger klischeehaft zu sein, soll heißen weniger jung, weniger motiviert oder weniger weiblich.